Und du bist nicht zurückgekommen von Marceline Loridan-Ivens – Meine Rezension …

Gebundene Ausgabe: 111 Seiten
Verlag: Insel Verlag; Auflage: 1 (6. September 2015)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3458176608
ISBN-13: 978-3458176602
Originaltitel: Et tu n’es pas revenu
Übersetzerin: Eva Moldenhauer
Autorin: Marceline Loridan-Ivens

HIER findet ihr ein Autorenvideo und HIER eine Leseprobe.

Die Geschichte:
Mit 86 Jahren blickt Marceline zurück auf ihr Leben und wendet sich in diesem Buch noch einmal direkt an ihren im Krieg verschollenen Vater.
Im April 1944 wurden die beiden zusammen deportiert und landeten schließlich in Auschwitz-Birkenau. Was sich wie ein Ort anhört, waren jedoch zwei getrennte Lager: Marceline saß in Birkenau ein, ihr Vater nur etwa drei Kilometer entfernt in Auschwitz. Nur mickrige drei Kilometer, aber diese Distanz konnten sie nur ein einziges Mal überwinden in Gestalt eines kleinen Zettels, den ein Elektriker nach Birkenau hineinschmuggelte.
Marceline erinnert sich nicht mehr an die wenigen Zeilen, nur die Anrede und die Grußformel sind ihr im Gedächtnis geblieben. Immer wieder hadert sie mit sich, zermartert sich in den vielen Jahren danach das Gehirn, aber es will ihr nicht mehr einfallen, was ihr Vater ihr damals als letzte Botschaft geschickt hatte.

Es war notwendig, dass das Gedächtnis zerbrach, sonst hätte ich nicht leben können. (S. 29)

An so vieles andere kann sie sich aber lebhaft erinnern … an das unvorstellbare Leid, das sie im Lager ertragen mussten, an Hunger, Krankheiten, Tod und Hoffnungslosigkeit.
Als sie nach Kriegsende wieder zu ihrer Familie heimkehrt, ist nichts mehr wie es war. Der Vater fehlt einfach überall, lange Zeit noch hoffen sie, dass er wieder auftaucht. Doch schließlich wird er für tot erklärt.
Marceline kann ihr eigenes Überleben nicht immer als Geschenk betrachten, oft kommt es ihr auch wie ein Fluch vor. Und der Verlust des Vaters reißt eine klaffende Wunde in die Familie, die nie mehr heilen kann.

Meine Meinung:
Besonders angesichts der aktuellen Flüchtlingsdebatten finde ich solche Bücher immer sehr wichtig. Leider werden aber die Personen, die es nötig hätten, sich gewisse geschichtliche Geschehnisse wieder einmal ins Gedächtnis zu rufen, kaum zu solcher Lektüre greifen.

Dieses Buch ist sehr persönlich, denn Marceline schildert ein Einzelschicksal bzw. das Schicksal ihrer Familie und solche Berichte sind immer noch ein bisschen eindrücklicher als allgemeine Informationen über die Gräueltaten der Nazis.
Der Fokus liegt hier auch nicht unbedingt auf den Erlebnissen im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, sondern es geht viel mehr darum, was diese Tragödie aus Marcelines Familie gemacht hat. Sie selbst hat überlebt, aber sie kann das nicht wirklich genießen. Sie wünscht sich sogar oft, sie wäre anstatt des Vaters gestorben.
Andere Familienmitglieder zerbrechen am Verlust des Vaters, schaffen es einfach nicht, das Ganze zu verarbeiten.
Auch die Entscheidungen vor dem Krieg werden angesprochen: hätte man die Tragödie verhindern können, wäre man anderswo sicherer gewesen?

Marceline Loridan-Ivens erzählt auch, was danach aus ihrem Leben geworden ist, wie sie und ob sie die Erlebnisse verarbeitet hat. Was sie mit ihrem zweiten Ehemann Joris Ivens geleistet hat, finde ich sehr beeindruckend: sie filmten in Kriegsgebieten und wollten den Menschen damit helfen.
Für mich ist Marceline eine beeindruckende, starke Frau, die trotz aller Widrigkeiten die Hoffnung niemals aufgegeben hat. Wirklich toll!

Fazit:
Eindrücklich, persönlich und erschreckend … ein wichtiges Buch gegen das Vergessen.

Bewertung:
5pfoten