Gebundene Ausgabe: 192 Seiten
Verlag: Insel Verlag; Auflage: 1 (8. August 2015)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3458176527
ISBN-13: 978-3458176527
Originaltitel: Il pleuvait des oiseaux
Übersetzerin: Sonja Finck
Autorin: Jocelyne Saucier, geboren 1948 in der Provinz New Brunswick, lebt heute in einem Zehn-Seelen-Ort im Wald, im nördlichen Québec. Sie arbeitete lang als Journalistin, bevor sie mit dem literarischen Schreiben begann. Ein Leben mehr ist ihr vierter Roman, der erste in deutscher Sprache.
Die Geschichte:
Eine Naturfotografin entdeckt ihre Leidenschaft für ein neues Motiv: alte Menschen, die in den vielen Jahren ihres Daseins so viel erlebt haben, dass man es an ihren Augen ablesen kann:
Ihre verhärmten Gesichter sind schwer zu entziffern. Von alten Menschen erfährt man nur etwas, wenn man ihnen in die Augen sieht. Die Augen enthalten ihre Lebensgeschichte. (S. 82)
Sie stößt durch die Gespräche mit den alten Menschen auf eine lange zurückliegende Tragödie: große Brände überzogen das Land Anfang des 20. Jahrhunderts. Der große Brand von 1916 hat zahlreiche Opfer gefordert und die Fotografin versucht fortan, noch lebende Augenzeugen des Infernos zu finden und zu interviewen.
Viele Geschichten gleichen sich, überschneiden sich, klingen im ersten Moment erfunden und unglaublich, doch das Meiste scheint doch wahr zu sein. Und immer wieder berichten die Überlebenden von einem Jungen, der bei diesem Brand seine komplette Familie verloren hat und danach tagelang durch die schwelende Landschaft geirrt ist.
Der Fotografin gelingt es, die Spur des mysteriösen Mannes bis in die kanadische Wildnis zu verfolgen, wo er zusammen mit zwei anderen Männern in völliger Abgeschiedenheit in einigen Hütten lebt …
Meine Meinung:
Die Geschichte wird aus wechselnden Perspektiven erzählt: einige Passagen aus Sicht eines wissenden Erzählers und dann wieder Kapitel, in denen verschiedene beteiligte Personen berichten.
So entwickelt sich eine vielschichtige Story, die mich immer mehr fesseln konnte. Zunächst in noch eher ruhigeren Tönen, doch so nach und nach wurde es immer emotionaler, berührender und bewegender.
Unter den Protagonisten gab es für mich keinen besonderen Favoriten: sie wirken alle auf ihre eigene Weise liebenswürdig und besonders. Von einigen erfährt man mehr, von anderen weniger, aber sie wirken alle lebendig und glaubwürdig in ihrer etwas kauzigen Art.
Die Tücken des Alters werden nicht verklärt in dieser Gemeinschaft, in der der Tod ein ständiger Begleiter ist, der sich nie weit von den Kameraden entfernt. Auch das würdige Aus-dem-Leben-Scheiden ist ein Thema, mit dem sich das Buch beschäftigt.
Aber für einige geht es weniger um das Ende, sondern um einen neuen Anfang: ein Leben MEHR, ein neues Leben, das durchaus im hohen Alter noch von vorne beginnen kann.
Und das liest sich einfach wundervoll – und hat einige weniger positive Szenen wieder gutgemacht.
Die Beschreibungen der Landschaft und des einfachen Einsiedlerdaseins waren sehr idyllisch und atmosphärisch, auch wenn es nicht mein bevorzugter Lebensstil wäre, schon allein wegen der grausamen Fallenstellerei, die leider oft erwähnt wird.
Insgesamt ein schönes Buch, das trotz der wenigen Seiten eine sehr bewegende Geschichte erzählt. Eine klare Leseempfehlung für alle, die Storys mögen, die das Herz berühren!
Fazit:
Entwickelt sich langsam, zieht den Leser immer mehr in seinen Bann und endet mit einem wohligen Seufzen.