Die unglaubliche Reise des Fakirs, der in einem Ikea-Schrank feststeckte – Rezension

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Titel: Die unglaubliche Reise des Fakirs, der in einem Ikea-Schrank feststeckte
Autor: Romain Puértolas
Verlag: Argon Verlag; Auflage: 2 (17. April 2014)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3839813220
ISBN-13: 978-3839813225
Originaltitel: L’extraordinaire voyage du fakir qui était resté coincé dans une armoire Ikea

Über den Sprecher Matthias Koeberlin:
Matthias Koeberlin (* 28. März 1974) ist nicht nur ein toller Schauspieler, sondern er leiht auch in so manchen Hörbüchern den unterschiedlichsten Protagonisten seine Stimme.
Und er macht das wirklich grandios, wobei es fast egal ist, welchem Genre das Buch angehört: seiner angenehmen, unaufdringlichen Stimme kann man stundenlang lauschen.

Über den Autor Romain Puértolas:
Romain Puértolas wurde 1975 in Montpellier geboren. Er war DJ, Zauberkünstler, Flugverkehrsmanager und Übersetzer und ist innerhalb Europas bereits vierzigmal umgezogen. Sein Debüt-Roman über den Fakir im Ikea-Schrank hat die Herzen der Franzosen im Nu erobert und wurde in 35 Sprachen übersetzt.

Die Kurzbeschreibung:
Ayarajmushee Dikku Pradash, charmanter Hochstapler in Turban und Seide sowie Träger eines Schnurrbarts beträchtlicher Größe, fliegt eines Tages aus Indien nach Paris. Er ist gelernter Fakir und möchte sich bei Ikea ein brandneues high-performance Nagelbett zulegen: Modell „Likstupiksta“, schwedische Kiefer, 15.000 Nägel (rostfrei), Farbe: Puma-rot.
Kaum am Flughafen angekommen, handelt sich Ayarajmushee Ärger mit dem Taxifahrer Palourde ein, verliebt sich im Ikea-Bistro in die schöne Französin Marie und nistet sich über Nacht im Möbellager ein. Als er sich in einem Ikea-Schrank vor der Nachtwache versteckt, gerät er auf eine irrwitzige Reise, die ihn quer durch Europa führt…

Die Geschichte:
Ayarajmushee Dikku Pradash (sprich: Ajaratschmuschii Dikku Pradasch) ist eigentlich ein ausgesprochener Egoist. In seinem armen indischen Heimatdorf hat er sich unter einem Vorwand so viel Geld erbettelt, dass er sich einen Flug ins ferne Paris leisten kann, um dort bei IKEA ein Nagelbett zu kaufen, das er mit einem gefälschten 100 Euro-Schein bezahlen will. So weit der Plan, doch alles sollte ganz anders kommen.
Erst einmal kommt das Falschgeld für die Bezahlung des Taxis vom Flughafen zu IKEA zum Einsatz. Damit macht sich Ayarajmushee allerdings den Taxifahrer Palourde zum Feind, der den Betrug am Abend bei seiner Abrechnung natürlich bemerkt. Doch zu diesem Zeitpunkt ahnt Ayarajmushee noch nicht, wie weit ihn die Rache des Mannes noch verfolgen wird.
Genauer gesagt sitzt Ayarajmushee zu diesem Zeitpunkt im bereits geschlossenen IKEA-Markt, bedient sich im Bistro am Kühlschrank und verzehrt seine Abendmahlzeit in einem Ausstellungswohnzimmer. Als plötzlich Angestellte auftauchen, flüchtet er sich in einen Schrank und damit beginnt seine abenteuerliche Reise. Dieser Schrank wird nämlich verpackt und landet in einem LKW, der Richtung England fährt. Bald bemerkt Ayarajmushee, dass er im LKW nicht alleine ist: Flüchtlinge verstecken sich zwischen der Ladung und halten den Inder gleich für einen der ihren. Zunächst bestreitet Ayarajmushee noch, dass er ebenfalls auf der Flucht wäre, doch das soll sich bald ändern… Und auch Ayarajmushee wird sich ändern!

Meine Meinung:
Diese fantasievolle Geschichte wird in einem ganz besonderen Stil erzählt, der manchmal fast so wirkt, als würde man aus einem Kinderbuch vorlesen. Gewollte Wiederholungen und Erklärungen scheinbar alltäglicher Dinge sind ein Merkmal dieser ungewöhnlichen Erzählung.
Bildgewaltige Beschreibungen (z. B. „sehnig und knotig wie ein Baum“) und ausführliche Charakterisierungen der Protagonisten bringen einem die Menschen im Buch sehr nahe. Ayarajmushee ist ein Mann, der eine tiefgreifende Wandlung durchlebt während dieser Geschichte und als Leser / Hörer kann man dies wunderbar nachvollziehen. Er wirkt sympathisch und liebenswürdig, zuweilen sehr naiv, andererseits aber auch wieder sehr gerissen und durchtrieben – ein vielschichtiger Charakter, den man gern begleitet auf seiner abenteuerlichen Reise.
Das Buch zeigt auch auf humorvolle Art und Weise, dass man sich im Leben immer zweimal begegnet, was im Fall von Ayarajmushee glücklicherweise meistens positiv endet.
Was das Buch aber auch enthält: eine große Portion Gesellschaftskritik, die durchaus zum Nachdenken anregt.
Ayarajmushee wird unfreiwillig zum „blinden Passagier“, zu einem „Illegalen“, zu einem „Flüchtling“. Was das bedeutet, erlebt der Fakir am eigenen Leib, aber er lernt auch vieles durch die Menschen, die ihm während seiner Reise begegnen.
Ein paar Einblicke in Ayarajmushees Kindheit ließen mich auch sehr schwanken zwischen Mitgefühl und einem Grinsen im Gesicht: der Autor versteht es, heikle Themen sehr ansprechend zu verpacken, ohne sie dabei jedoch ins Lächerliche zu ziehen.
Was man noch aus diesem Buch mitnehmen kann, das ist die Erkenntnis, dass Geben seliger ist denn Nehmen. Und dass Nächstenliebe in einem Menschen bessere Gefühle auslösen kann als der gelungenste Betrug.

Mich hat das Buch bestens unterhalten, es gibt keine Längen und man will ständig wissen, wie es weitergeht mit Ayarajmushee. Lediglich ein paar der gewollten Wiederholungen hätten meiner Meinung nach weg gelassen werden können, wobei das natürlich hier ein wichtiges Stilmittel ist.
Ich habe geschmunzelt, an ein paar Stellen laut gelacht und mich sehr amüsiert über die Naivität von Ayarajmushee, über die seltsamen Namen, die sich der Autor ausgedacht hat und über die Zufälle, die immer wieder weiterhelfen. Aber ich habe mir auch Gedanken über die vielen Millionen Flüchtlinge gemacht, die gerade jetzt in diesem Moment vielleicht ebenfalls in einem Schrank feststecken und deren Abenteuer wohl nicht so schön enden wird wie das des Fakirs.

Fazit:
Ein amüsantes, ungewöhnliches Buch mit einem liebenswürdigen Protagonisten, den man gern begleitet auf seiner abenteuerlichen Reise quer durch Europa – und zu einem besseren, neuen Ich. Eine klare Lese- bzw. Hörempfehlung!

Bei Daggis Buch-Challenge 2014 hake ich hiermit Punkt 5 ab.