Wilhelmstadt – Die Maschinen des Saladin Sansibar von Andreas Dresen – Meine Rezension …

Broschiert: 264 Seiten
Verlag: Acabus Verlag; Auflage 1 (14. Juli 2014)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3862822745
ISBN-13: 978-3862822744

Über den Autor:
Andreas Dresen, Jahrgang 1975, lebt und arbeitet in seiner Heimatstadt Aachen. Schon immer war er von fremden Welten fasziniert – von der wilden Atlantik-Küste Südirlands genauso wie von den Sagen und Legenden seiner Heimat. Und so findet sich in seinen Kurzgeschichten genauso wie in seinem Debütroman „Ava und die STADT des schwarzen Engels“ eine fesselnde, gleichsam skurrile und charmante Mischung aus Fantasy-Elementen, klassischer Mythologie und einem scharfen Blick für die Kuriositäten der Gesellschaft und des Alltags.
(Amazon.de)

Der Klappentext:
Wilhelmstadt, 1899. Das stählerne Venedig Deutschlands. Eine dem Braunkohle-Rausch verfallene, hochindustrialisierte Stadt als Schauplatz einer verschwörerischen Intrige inmitten von Dampfmaschinen und mechanischen Apparaturen.
Mitten in der Nacht versinkt die „Juggernauth“ in den Fluten des Rheins. An Bord ist auch der Neffe von Kaiser Wilhelm II. Nur der Ingenieur Julius deJonker überlebt das Unglück, liegt aber unwiederbringlich im Koma. Der Kaiser zeichnet ihn verantwortlich für die Katastrophe und enteignet ihn all seiner Besitztümer.
Doch seine Tochter Johanne ist von der Unschuld ihres Vaters überzeugt. Verarmt, aber voller Entschlusskraft, macht sie sich zusammen mit Miao, einer verstoßenen Luftnomadin mit Dampfbein, auf die Suche nach den wahren Schuldigen. Doch der Geheime Kommerzienrat Oppenhoff setzt alles daran, ihre Suche zu vereiteln und seine Spuren zu verwischen.

Meine Meinung:
Das Genre „Steampunk-Fantasy“ war in Buchform Neuland für mich. Da ich aber Filme, wie beispielsweise „Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen“ ganz toll fand, hatte ich keine großen Bedenken, dass mir auch das Lesen solchen Stoffs gefallen würde.
Und Andreas Dresen hat es auch wirklich geschafft, mich sofort in den Bann seiner „Wilhelmstadt“ zu ziehen. Sein Schreibstil ist lebendig und sehr anschaulich. Man kann förmlich den Dampf aus den Schloten wabern sehen und die schlechten Gerüche in den Armenvierteln hängen schwer in der Nase.
Viele skurrile und eindrucksvolle Geschöpfe, die er sich erdacht hat, ließen mich beim Lesen immer wieder staunen über den Einfallsreichtum. Ob es nun eine gefräßige, dampfbetriebene Katze ist, die stinkende Rülpser ausstößt oder eine mechanische Brieftaube – die Maschinen begleiten uns durch das ganze Buch und manche sorgen sogar für einige Lacher.
Auch die Protagonisten sind gut ausgearbeitet und wirken lebendig.
Johanne ist eine starke Frau, die sich in einer Welt behaupten muss, die von Männern regiert wird. Unterstützt wird sie dabei von ihrem treuen Diener Joseph, dessen Frau Marianne und der ehemaligen Luftnomadin Miao, die buchstäblich das Schicksal zu ihr geführt hat.
Johannes Gegenspieler sind zumeist recht geheimnisvolle Charaktere, die es ihr nicht leicht machen und mehr als einmal ihr Leben bedrohen.
Die Geschichte liest sich fast von selbst, Seite um Seite kommt man dem Geheimnis näher, doch alles wird am Ende nicht aufgeklärt. Das Buch ist Teil eins einer Reihe, und ich bin schon sehr gespannt, wie es weitergeht.

Fazit:
Eine toll durchdachte, spannende Geschichte mit vielen skurrilen Maschinen und Charakteren, die das Lesen zum Vergnügen machen. Bitte mehr davon!

Bewertung:
4,5 Pfoten
Ein halber Punkt Abzug ist für einen „Running Gag“, den ich leider schon bald für überstrapaziert hielt.
5pfoten

Die Sprengmeister und der unheilige Gral von Heiner Wacker – Meine Rezension …

Gebundene Ausgabe: 336 Seiten
Verlag: Waxmann (Dezember 2013)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3830930305
ISBN-13: 978-3830930303

Der Klappentext:

Der Ort: Münster in Westfalen. Die Zeit: Herbst/Winter 2040/41.
Die Verhältnisse: Alle sozialen Systeme sind zusammengebrochen, die Bevölkerung hat sich erwartungsgemäß in zwei Teile gespalten, nämlich in sehr viele Arme und in sehr wenige Reiche. Der trotz alledem erstaunliche soziale Frieden wird gestört, als eine Gruppe namens Sprengmeister beginnt, das Münsterland mit Selbstmordattentaten zu terrorisieren.
Der Held: Carsten Kluncker, 76, Gärtner, teilzeitbeschäftigt.
Die Geschichte: Mit seiner Mumien-WG, seinem Kumpel Horst und einem fetten Kater führt Carsten ein ruhiges Leben am Rande des Existenzminimums, als unverhofft die trotz ihrer 65 Lenze prächtig anzusehende Mandy Brenning in sein Leben tritt. Carsten taucht ab in einen Strudel aus Liebe und Leidenschaft, mit einem Mal ist das Leben – wie wenig davon auch verbleiben mag – wieder bunt geworden. Als Mandy kurz vor Weihnachten unvermittelt verschwindet, macht er sich mit Horst auf die Suche. Der Verdacht, dass sein Mädel möglicherweise Kontakte zu den Sprengmeistern haben könnte, wird zur Gewissheit, als er Mandy todkrank und als lebende Bombe verdrahtet auf einer Feier seines Arbeitgebers wiedertrifft. Er schafft es, sich und Mandy am Stück aus Münster herauszubringen, aber wenn er Mandy wirklich retten will, ist es damit nicht getan. Er muss zurück in die Vergangenheit, mit alten Idealen brechen, neue und alte Feindschaften aktivieren, Gas geben. Das ist nicht nur in seinem Alter anstrengend und gefährlich. Andererseits: Was hat er zu verlieren – außer Mandy?

(Staats-)Terrorismus, Groß- und/oder Kleinbürgertum, Extremkatholizismus, (illegale) Genforschung, Kleintierhaltung, massiver Alkoholkonsum, große Gefühle, Leidenschaft und Verzweiflung, durchmischt mit kurzen soziologischen Exkursen zu diversen gesellschaftlichen Dauerbaustellen. Definitiv nichts für Engseher und Humorverweigerer.

Meine Meinung:
Der Autor findet deutliche Worte, schreibt frech und mit sehr viel Wortwitz. Die Seiten fliegen nur so dahin, während man einerseits schmunzelt, andererseits aber auch so manch harten Brocken zu verdauen hat. Dieses Buch ist nämlich nicht nur leichte unterhaltsame Kost, sondern es steckt auch eine gehörige Portion Sozial- und Gesellschaftskritik in den Seiten.

Gekonnt unterbrochen wird die Story um Carsten und seine Mandy durch kurze Kapitel, die die fiktiven Entwicklungen dokumentieren, die zu den beschriebenen Zuständen im Jahr 2041 führten. Teils erschreckend realistisch anmutende Szenarien wollen den Leser zum Nachdenken (und Umdenken?) anregen.
Ob es beispielsweise um Sterbehilfe, Terrorismus, religiöse Verblendung, Korruption, Verschwendungssucht oder medizinische Experimente geht: in dieser Geschichte findet alles seinen angemessenen Platz.

Die Charaktere sind allesamt leicht skurril und passen damit sehr gut in dieses Buch. Carsten ist ein Protagonist, dessen Handlungsweisen man meist recht gut nachvollziehen kann und der größtenteils auch echt sympathisch wirkt.
Zwischen diesen Buchdeckeln steckt einfach alles von A – Z: von Action über Humor, Lovestory, Sarkasmus bis hin zu Zynismus.

Fazit:
Einen halben Punkt ziehe ich ab für ein paar derbe Passagen, auf die ich gerne verzichtet hätte und die für den Ausgang der Story auch nicht nötig gewesen wären. Aber insgesamt betrachtet fand ich dieses Buch einfach grandios! Schwarzhumorig verpackte Kritik, die zum Nachdenken anregt, aber auch für echte Leseunterhaltung sorgt.

Bewertung:
4,5 Pfoten
5pfoten

Auswandertag von Klaus Oppitz und der Tafelrunde – Meine Rezension…

Gebundene Ausgabe: 304 Seiten
Verlag: Residenz Verlag; Auflage: 1 (26. August 2014)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3701716250
ISBN-13: 978-3701716258

Über die Autoren:
Klaus Oppitz geboren 1971, veröffentlichte Kurzgeschichten in Anthologien und Literaturzeitschriften. Er arbeitete als Werbetexter und Regisseur und schreibt für Fernsehen und Bühne. Oppitz ist gemeinsam mit Rudi Roubinek und Robert Palfrader Autor von „Wir sind Kaiser“ und Hauptautor von „Auswandertag“.

Die Tafelrunde besteht aus Klaus Oppitz, Rudi Roubinek, Mike Bernard und Gerald Fleischhacker. Mit Wortspenden, Rat und Tat haben die anderen Ritter der Tafelrunde die Entstehung von „Auswandertag“ begleitet. Die vier haben ihre unterschiedlichen Talente gebündelt und sind mit vereinten Kräften innerhalb weniger Jahre zu führenden Autoren in der österreichischen Comedy-Szene geworden.
(Quelle: Residenz Verlag)

Der Klappentext:
Österreich in naher Zukunft. An der Macht ist ein rechtspopulistischer Bundeskanzler. Der Ausstieg aus der EU wurde vollzogen, das Land ist ausländerfrei und bankrott… und die Arbeiterfamilie Putschek auf der Flucht in das Vorzeigeland der EU – die Türkei.
„Auswandertag“ ist ein satirischer Trip zu burgenländischen Schwarzhändlern, niederösterreichischen Donnerstagsdemonstranten, ungarischen Vegetarier-Nazis, türkischen Pornoproduzenten und den legitimen Erben von Andreas Hofer.
Klaus Oppitz ist einer der Autoren von „Wir sind Kaiser“, der erfolgreichsten Satire-Talkshow der letzten Jahre, und legt mit „Auswandertag“ eine atemberaubend komische Zukunftsvision vor.

Die Geschichte:
Die Familie Putschek (eigentlich Putschek/Brummer, da die Eltern in wilder Ehe leben) besteht aus Mutter Chiara, Vater Fabian, der 15-jährigen Valentina und ihrem 21-jährigen Bruder Maximilian. Im Buch erzählen diese vier Protagonisten abwechselnd in kurzen Kapiteln jeweils ihre Sicht der Dinge. Schon allein dieser Umstand macht das Ganze recht unterhaltsam, denn schließlich gehen die Meinungen über ein und dieselbe Sache oft weit auseinander.

Im abgeschotteten Österreich lebt es sich leider nicht ganz so gut, zumindest die Familie Putschek hat mit einigen Problemen zu kämpfen. Maxl hat als Einziger einen Job, Chiara verbringt die meiste Zeit mit der Vertiefung ihres Glaubens und Fabian täuscht sich mit seiner Illusion der Selbständigkeit über die Arbeitsmisere hinweg.
Dann stirbt die „Putschi-Omi“ und Fabian zeigt sich sehr großzügig: die letzten Familienersparnisse gehen für die opulente Beerdigung drauf. Doch natürlich hat er – wie immer – bereits einen grandiosen Plan: er räumt die Wohnung der Oma aus und macht auch vor deren Konto nicht Halt. Dumm nur, dass die Oma ihren gesamten Nachlass der regierenden Partei vermacht hatte.
Valli hat schließlich die kühne Idee, das Land zu verlassen, um in die Türkei zu flüchten.

„Mit einem Auto, das ausgeschaut hat wie die Nachbildung einer ägyptischen Pyramide aus Haushaltsmüll, wären wir nämlich noch eher in die EU gekommen als mit dem Pass vom Papa.“
Zitat Seite 125

Schnell zeigt sich, dass dieses Unterfangen alles andere als einfach ist. Nur mit Hilfe eines Schleppers landen sie schließlich in der Türkei. Was dort auf sie wartet, hätte sich die Familie Putschek/Brummer allerdings so niemals vorstellen können…

Meine Meinung:
Ein normaler 08/15-Schreibstil in langweiligem Hochdeutsch wäre sich angesichts dieser Story sicher „nicht ausgegangen“, weshalb wir uns nun an einer leicht derben dialektischen Ausdrucksweise erfreuen dürfen.

Die Protagonisten wirken sehr lebendig, was teilweise auch an der jeweiligen Ich-Erzählperspektive liegen mag, durch die man viel aus deren Gedanken- und Gefühlswelt erfährt.
Es würde mir schwer fallen, wenn ich mich für einen Lieblingscharakter entscheiden müsste. Irgendwie kann man die Beweggründe jedes Einzelnen gut nachvollziehen, doch die Familie findet einfach keinen gemeinsamen Nenner und sorgt damit für allerlei Zündstoff. Das erzeugt wiederum viel Erheiterung beim Leser, doch eigentlich ist es eher tragisch, wenn man genauer darüber nachdenkt.

Überhaupt ist die ganze Geschichte alles andere als lustig, auch wenn sie erzähltechnisch brillant-witzig vorgetragen wird, es ist eben Satire pur.
Die vielen absurd-komischen Figuren in dieser Story fand ich ebenso genial wie die ungewöhnlichen Situationen, in die die Familie ständig gerät. Stellenweise kommt auch leichte Spannung auf und einige Überraschungen machen das Buch zusätzlich zu einem echten Page-Turner.

Der Hintergrund ist eine durchaus ernste und sehr tragische Flüchtlingsgeschichte, wie sie Millionen von Menschen täglich wirklich erleben müssen. Das Buch ist damit Sozial- und Gesellschaftskritik in der schönsten Form: unterhaltsam, witzig und trotzdem nie seicht und belanglos, es regt zum weiteren Nachdenken an…

Fazit:
Eine tragische Familiengeschichte, in der nichts normal ist – und trotzdem alles sehr realistisch! Für den Leser ein satirisch-lustiges Vergnügen, für die Familie Putschek leider weniger erheiternd…

Bewertung:
5pfoten

Eisblaue See, endloser Himmel von Morgan Callan Rogers – Meine Rezension…

Gebundene Ausgabe: 480 Seiten
Verlag: Mare Verlag; Auflage: 1. (5. August 2014)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3866482280
ISBN-13: 978-3866482289
Originaltitel: Like a Wave of the Sea

Vor dem Lesen dieses Buches empfehle ich unbedingt, dass ihr vorher Band 1 der Reihe genießt:

Vieles in der Handlung baut auf Teil 1 auf. Natürlich wird manches noch einmal kurz wiederholt bzw. erklärt, aber so richtig verstehen kann man die Geschichte wohl erst im Ganzen.

Die Geschichte:
Die inzwischen 19-jährige Florine heiratet ihre Jugendliebe Bud und kurz darauf wird auch schon das erste Kind geboren. Buds Job macht es erforderlich, dass die kleine Familie aus dem geliebten kleinen Küstenort „The Point“ wegzieht. Florine ist darüber alles andere als glücklich, denn für sie gibt es kein schöneres Zuhause als das ehemalige Häuschen ihrer verstorbenen Großmutter. Sie vermisst die Umgebung und besonders die lieben Nachbarn und Freunde.
Bald folgt Baby Nummer Zwei, doch damit wird Florines Leben natürlich nicht gerade leichter.
Zu allem Überfluss erhält Florine auch noch rätselhafte anonym verschickte Briefe, die anscheinend mit ihrer vor vielen Jahren verschwundenen Mutter zu tun haben. Was wohl dahintersteckt? Taucht die verschollene Carlie am Ende sogar wieder auf?

Meine Meinung:
Da mir der erste Teil „Rubinrotes Herz, eisblaue See“ sehr gut gefallen hatte, musste ich natürlich auch die Fortsetzung lesen.
Insgesamt muss ich aber leider sagen, dass mich das Buch etwas enttäuscht hat. Erwartet hatte ich mir eine abwechslungsreiche, manchmal spannende, fesselnde Geschichte mit viel Herz … bekommen habe ich einen über weite Strecken düster-depressiven Beziehungsroman über eine junge, problembehaftete Ehe.
Mir fehlten die tröstlichen, lustigen, positiven Momente in diesem Buch. Es passiert einfach ein Unglück nach dem anderen. Auch um Florine herum geschieht fast nur Negatives: Kriegstrauma, Krebserkrankung, Suchtprobleme, Teenagerschwangerschaft usw.
Erst zum Schluss wurde die Lage versöhnlicher und es kam auch etwas Spannung ins Spiel, da es um die verschwundene Carlie ging. Die letzten Seiten haben vieles wieder gutgemacht und die Geschichte wurde schlüssig zum Ende gebracht.
Ein kleiner Epilog mit Blick in die Zukunft hätte mir noch gefallen, das hätte alles prima abgerundet.

Morgan Callan Rogers Schreibstil hat mir – wie beim ersten Teil – wieder sehr gut gefallen. Sie schreibt manchmal schon fast poetisch-verspielt, meistens aber einfach anschaulich-realitätsnah.
Ihre Charaktere sind Personen mit Ecken und Kanten, aber auch mit sehr viel Emotionen und einem hohen Maß an Authentizität. Man fühlt sich manchmal fast wie ein Einwohner von „The Point“, so fühlt man mit den Protagonisten.

Wenn man Teil 1 bereits kennt, sollte man unbedingt auch dieses Buch lesen. Es klärt noch vieles auf, was bisher im Dunkeln lag und wir dürfen Florine, ihre Familie und Freunde noch einige Jahre durch ihr Leben begleiten.

Fazit:
Ein emotionaler realitätsnaher Roman über ein junges Paar, das versucht, den schwierigen Alltag zu meistern. Stellenweise war es mir zu viel Tragik und Drama, aber das Ende wirkte sehr versöhnlich – und der schöne Schreibstil von Morgan Callan Rogers sorgt für einen weiteren Pluspunkt!

Bewertung:
3,5 Pfoten
4pfoten

Lebt von Orkun Ertener – Meine Rezension…

Gebundene Ausgabe: 640 Seiten
Verlag: FISCHER Scherz; Auflage: 1 (21. August 2014)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3651013677
ISBN-13: 978-3651013674

Über den Autor:
Orkun Ertener, geboren 1966 in Istanbul, lebt seit 1970 in Deutschland. Seit 1994 arbeitet er als Autor vorwiegend fürs Fernsehen und wurde für seine Arbeit vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Adolf-Grimme-Preis für »KDD – Kriminaldauerdienst«. Die von Ertener entwickelte Serie, die auch international Beachtung fand, wurde von der Kritik als herausragend wahrgenommen und einhellig bejubelt. Der Autor lebt mit seiner Familie in Köln.

Der Klappentext:
Eine einzige Begegnung nimmt Can Evinman alle Gewissheiten. Und bedroht seine Identität. Vielleicht auch sein Leben …

Die Arbeit an der Autobiographie der Schauspielerin Anna Roth konfrontiert Ghostwriter Can Evinman mit seiner eigenen Lebensgeschichte: Seine Eltern kamen nicht bei einem Unfall ums Leben, wie er immer dachte. Sie wurden Opfer eines Verbrechens.
Gemeinsam versuchen Can und Anna herauszufinden, was vor fünfunddreißig Jahren wirklich passiert ist. In Thessaloniki werden sie fündig: Das Schicksal ihrer beider Familien ist eng mit einem einzigartigen Kapitel der neueren Geschichte verwebt.
Doch jemand beobachtet jeden Schritt ihrer Nachforschungen. Und will mit aller Macht verhindern, dass die ganze Wahrheit ans Licht kommt.

Die Geschichte:
Can Evinman ist im Heim und bei Pflegefamilien aufgewachsen, nachdem seine Eltern von einer Wattwanderung nicht mehr zurückgekehrt sind. Seine Vergangenheit ist kein Thema, über das er gerne spricht. Nicht einmal seine Frau Sandra weiß Genaueres über Cans Kindheit und Jugendzeit.
Doch dann tritt Anna Roth in Cans Leben und mit ihr auch noch eine andere Frau: Ellen Reichert. Ellen macht Can mit einem uralten Mann bekannt – und mit dessen brisanter Lebensgeschichte, die in schicksalhafter Weise auch mit seiner eigenen verbunden scheint. Was hat dieser Mann mit dem Tod von Cans Eltern zu tun?
Ellen ködert Can mit alten Fotografien und lockt ihn schließlich nach Griechenland. Anna begleitet ihn, denn auch die bekannte Version ihrer Vergangenheit hängt an einem seidenen Faden… Bald ist nichts mehr so, wie es zunächst schien – und Can und Anna sind in größter Gefahr!

Meine Meinung:
Zunächst hatte ich einige Anlaufschwierigkeiten mit Orkun Erteners Schreibstil: der Sinn der ersten Sätze der teils recht kurzen Kapitel erschloss sich mir oft erst im weiteren Kontext. Als ich mich schließlich daran gewöhnt hatte, lernte ich dieses Stilmittel schnell zu schätzen und ich entwickelte ein gewisses Gefühl von Sorglosigkeit, so nach dem Motto: es wird sich alles irgendwann aufklären.

Und an Aufklärung mangelt es diesem Buch sicher ganz und gar nicht. Ein gewisses Interesse an geschichtlichen Zusammenhängen sollte man allerdings schon mitbringen, sonst könnte man einige Passagen als störende Längen empfinden. Es steckt enorm viel Recherchearbeit und Wahres in dieser Story, vor allem erfahren wir viel über das Schicksal jüdischer Türken im Zweiten Weltkrieg und über die Glaubensgemeinschaft der „Dönme“.

Verpackt ist dieses ganze Geschichtswissen in einen spannenden Thriller, in dem der Autor seinen Protagonisten oft kaum noch Zeit zum Atemholen lässt. Stellenweise gleicht die Geschichte einer wilden Schnitzeljagd über Landesgrenzen hinweg: heute Türkei, morgen Frankreich, übermorgen Griechenland. Can und Anna kommen viel herum und glücklicherweise haben sie ausreichende Mittel, um ihre Spurensuche zu finanzieren.

Orkun Ertener hat unglaublich lebendige Charaktere geschaffen und lässt den Leser so hautnah an deren Emotionen teilhaben, dass man einfach mitfühlen muss. Man spürt die Zerrissenheit, Ausweglosigkeit, die Angst und die Ungewissheit, in der sich Can oft befindet.
Interessant ist auch, dass die „Bösewichte“ in dieser Geschichte meist betont harmlos daherkommen, aber im Hintergrund ist trotzdem das ganze Ausmaß ihrer Handlungen zu spüren und wirkt umso erschreckender.

Den Aufbau der Geschichte würde ich als geschickt gewebtes Spinnennetz beschreiben: ständig kommen neue Verbindungen hinzu, die Story wird dichter, es werden Fäden von der Gegenwart in die Vergangenheit gesponnen. So manches Opfer verfängt sich in diesem Bauwerk, doch wenn man sich im Netz bewegen kann, kommt man auch irgendwann ans Ziel. Die Frage ist nur: will man dort wirklich hin? Bei Can spürt man oft die Kluft zwischen Neugier und verzweifelter Abscheu.

„Lebt“ würde ich als anspruchsvollen Roman bezeichnen, in dem sehr viel Geschichte, Spannung, Action, aber auch Emotionen stecken. Immer, wenn man denkt, man wüsste, wie alles zusammenhängt, wird man aufs Neue überrascht. Alles scheint irgendwie verbunden zu sein, es gibt keine unwichtigen Nebenfiguren.
Eigentlich wünschte ich fast, es gäbe eine Fortsetzung mit der sympathischen Polizistin Sybille Mägert, mit Can und seiner netten Familie, mit Anna und ihrem Sohn Max und den vielen anderen Charakteren, deren Geschichte ich sehr gerne gelesen habe.

Fazit:
Ein so dicht gewebter Roman, der anmutet wie ein großes Spinnennetz, in dem kein Faden ohne Sinn ist. Can erkundet seine Vergangenheit und deckt gleichzeitig das Schicksal so vieler anderer Menschen auf, die alle irgendwie verbunden sind. Actionreich, spannend, informativ, klug durchdacht und voller glaubwürdiger Emotionen!

Bewertung:
4,5 Pfoten
5pfoten

Exkarnation von Markus Heitz – Meine Rezension…

Broschiert: 608 Seiten
Verlag: Knaur TB (1. August 2014)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3426516233
ISBN-13: 978-3426516232

Über den Autor:
Markus Heitz, geboren 1971, studierte Germanistik und Geschichte. Kein anderer Autor wurde so oft wie er mit dem Deutschen Phantastik Preis ausgezeichnet, weshalb er zu Recht als Großmeister der deutschen Fantasy gilt.
Mit der Bestsellerserie um „Die Zwerge“ drückte er der klassischen Fantasy seinen Stempel auf und eroberte mit seinen Werwolf- und Vampirthrillern auch die Urban Fantasy. Markus Heitz lebt in Homburg.
Quelle: Droemer Knaur

Der Klappentext:
Ein Wagen rast unvermittelt auf sie zu und überrollt sie. Claire stirbt an Ort und Stelle, obwohl sie ihrem Mann noch helfen wollte, der vor ihren Augen bei einem ­Überfall erschossen wird – doch ihre Seele verlässt die Erde nicht. Beherrscht von dem Wunsch, den Mörder zur Rechenschaft zu ziehen, fährt sie in den Leib der Selbstmörderin Lene von Bechstein. Doch Lenes ­Körper war eigentlich für jemand anderen vorgesehen, und Claire gerät mitten hinein in einen uralten Krieg.

Die Geschichte:
Um es gleich vorneweg zu sagen: „Exkarnation“ ist als Zweiteiler angelegt. Markus Heitz versichert uns in der Danksagung, dass er sich mit „angemessener Geschwindigkeit“ daran macht, die Fortsetzung zu schreiben.
Bei seinem üblichen Schreibtempo werden wir uns also wahrscheinlich nicht allzu lange gedulden müssen. 🙂

Claire, eine Frau in den besten Jahren, die ein Café betreibt, stirbt durch einen heimtückischen Anschlag. Kurz vor ihrem Tod muss sie noch mit ansehen, wie ihr geliebter Mann brutal erschossen wird.
Als in diesem Moment emotionaler Anspannung dann schließlich ihre Seele die tote Hülle verlässt, geschieht etwas Seltsames: Claire erwacht wenig später im Körper einer fremden Frau.
Doch dieser Körper war eigentlich für eine andere Seele reserviert und so hat Claire unwissentlich den Zorn sehr mächtiger Wesen auf sich gezogen, der sog. „Seelenwanderer“.

In einem weiteren Handlungsstrang begleiten wir Eric, einen Jäger. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Welt von Wandelwesen zu befreien und so tötet er zum Beispiel Menschen, die sich in Bären, Tiger, Wölfe oder ähnliches verwandeln können und in dieser Gestalt morden. Eric ist selbst allerdings auch kein normaler Mensch: in seinem Inneren lauert ein Dämon. Und liiert ist er kurioserweise mit einer Vampirin, genauer: einer „Judastochter“.

Eine weitere interessante Person in dieser Geschichte ist Professor Inverno. Auch er befindet sich auf der Jagd, allerdings sind sein bevorzugtes Zielobjekt die Seelenwanderer. Auch er ist natürlich kein Normalsterblicher und birgt einige Überraschungen.

Die Wege all dieser Charaktere kreuzen sich natürlich früher oder später, was nicht immer positiv für alle Beteiligten endet.

Meine Meinung:
Wie man schon an der kurzen Inhaltsbeschreibung sieht, dürfen sich Fans von Markus Heitz auf ein Wiedersehen mit vielen „alten Bekannten“ freuen. Auch das Beerdigungsinstitut „Ars Moriendi“ aus „Oneiros“ ist mit von der Partie.

Diese bunte Mischung weiß der Autor geschickt mit ganz neuen Ansätzen zu würzen: die Idee der Seelenwanderer kommt hinzu und wird von ihm wunderbar logisch erklärt. Wenn er seine Thesen dann noch mit realen Beispielen aus unserer Geschichte unterlegt, ist man wirklich geneigt, ihm alles zu glauben! 🙂

Zu Schreibstil und Charakteren werde ich gar nicht viele Worte verlieren. Wer schon einmal ein Buch von Markus Heitz gelesen hat, der weiß bereits, dass hier ein Meister am Werk ist. Alles wirkt lebendig, zum Anfassen und Mitfühlen – ob nun emotionale Szenen oder das grausame Brechen einer Wirbelsäule. Ja, es geht stellenweise schon recht blutig zur Sache, aber schließlich lesen wir einen Thriller.

Es sind in diesem Buch aber bei Weitem nicht nur die greifbar brutalen Szenen, die für Spannung und Gänsehaut sorgen, sondern vielmehr auch die psychische Komponente. Durch die Möglichkeit der Seelenwanderung können sich die Protagonisten nämlich häufig nicht mehr sicher sein, wer eigentlich im Körper ihres Gegenübers steckt. Das sorgt für einige Überraschungen.

Trotz der mehr als 600 Seiten kommt es niemals zu Längen. Durch die wechselnden Schauplätze und die durchaus anspruchsvolle, komplexe Story ist etwas Konzentration gefragt, um nicht den Überblick zu verlieren.

Dass das Ende natürlich (leider) etwas offen gehalten war, liegt daran, dass es eine Fortsetzung geben wird. Eigentlich lese ich lieber Bücher, die abgeschlossen sind, aber ich schätze, wir werden nicht lange auf den zweiten Teil warten müssen – und auf diesen freue ich mich schon sehr!

Fazit:
Eine spannende, klug durchdachte Geschichte, die aufgrund vieler Personen, Schauplätze und Verwicklungen durchaus komplex und anspruchsvoll ist. Fans von Markus Heitz dürfen sich über ein Wiedersehen mit vielen Figuren aus anderen Büchern freuen. Toll geschrieben und absolut unterhaltsam!

Bewertung:
5pfoten

Der eiserne Sommer von Angelika Felenda – Meine Rezension…

Taschenbuch: 435 Seiten
Verlag: Suhrkamp Verlag; Originalausgabe (18. August 2014)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3518465422
ISBN-13: 978-3518465424

Seht euch den BUCHTRAILER an!

Über die Autorin:
Angelika Felenda, geboren in Nördlingen, hat Geschichte und Germanistik studiert und arbeitet als Übersetzerin in München.
„Der eiserne Sommer“ ist der Auftakt zu einer Serie um Kommissär Reitmeyer und ihr erster Roman.

Der Klappentext:
München, 1914. Kommissär Sebastian Reitmeyer hat es satt, die Marionette des Polizeipräsidenten zu sein. Während die Bevölkerung wie im Taumel das hundertjährige Bestehen des königlichen Leibregiments feiert, führen ihn seine Ermittlungen in einer Mordserie von den Villen der Großbürger bis ins berüchtigte Café Neptun, Vergnügungsort der Offiziere.
Aber gegen das Militär darf er per Gesetz nicht vorgehen, und der Polizeipräsident drängt ihn, nicht noch tiefer zu schürfen. Da macht er eine ungeheuerliche Entdeckung, die nicht nur ihn selbst zum Abschuss freigibt. Unmittelbar vor Kriegsausbruch könnte sie das ganze Land in den Untergang stürzen…

Die Geschichte:
Ein junger Mann wird tot aufgefunden, zunächst deutet alles auf einen Unfall hin. Doch Kommissär Reitmeyer und seine Truppe finden bald heraus, dass mehr dahintersteckt. Die Spuren führen in die höheren Kreise der Münchner Gesellschaft und leider auch zum Militär. Reitmeyer wird bald nahe gelegt, sich bedeckt zu halten, was die Ermittlungsergebnisse betrifft. Nichts soll an die Öffentlichkeit dringen, die gerade sowieso in hellem Aufruhr ist angesichts des drohenden Krieges. Leider bleibt es nicht nur bei einem Todesfall und so wird schließlich eine ganze Mordserie daraus, die immer weitere Kreise zieht.
Dass ausgerechnet die Ärztin Caroline und deren Familie ebenfalls in die Vorkommnisse verwickelt sind, macht es Sebastian nicht gerade leichter, denn er hat ein Auge auf die junge Frau geworfen…

Meine Meinung:
Trotz der über 400 Seiten gab es in diesem Buch keine Längen, ich habe mich durchgehend sehr gut unterhalten gefühlt.
Die Charaktere sind prima ausgearbeitet, vor allem Sebastian Reitmeyer, über den wir auch einiges aus seinem Privatleben erfahren dürfen. Die Dialoge wirken realistisch und sorgen oft für ein Schmunzeln, denn die Autorin bringt die manchmal etwas schnoddrige bayerische Art sehr treffend auf den Punkt.
Auch was die Zeit betrifft, in der dieser Krimi angesiedelt ist, wirkt alles sehr authentisch. Sebastian ist erst Anfang Dreißig, trotzdem hatte ich ständig das Gefühl, er wäre mindestens Mitte 40. Dabei könnte ich gar nicht genau erklären, woran das lag, aber für mich passte es einfach: damals wirkten die Menschen ja oft älter oder ernster.
Der Kriminalfall wird spannend erzählt und ist in seiner ganzen komplexen Vielschichtigkeit bestens durchdacht. Man weiß nie so genau, woran man ist und nicht selten wird der Jäger selbst zum Gejagten – einfach toll geschrieben.
Auch die Verwicklungen der „hohen Herrschaften“ werden glaubhaft und eindrucksvoll dargestellt – wie im richtigen Leben! Der Zwiespalt, in dem Kommissär Reitmeyer steckt, ist sehr gut nachfühlbar: einerseits sein Gerechtigkeitsempfinden, andererseits die Sorge um die eigene Zukunft.
Am Ende holt der grausame Krieg die Protagonisten ein und sorgt noch einmal für Herzklopfen. Und ich freue mich jetzt schon auf Band 2 der Reihe…

Fazit:
Ein solider, gut durchdachter Krimi, der mich gefesselt und sehr begeistert hat. Lebendige Charaktere spielen bis zur letzten Seite ein Katz- und Maus-Spiel der besonders kniffligen, pikanten Art.

Bewertung:
5pfoten

Mein aktueller Lesestapel… ich freu mich! :)

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Mal wieder eine sehr bunte Mischung, die aktuell von mir gelesen wird. 🙂

Mit „Exkarnation“ bin ich schon fast halb fertig, es gefällt mir super. Ein Wiedersehen mit vielen bekannten Figuren aus früheren Büchern von Markus Heitz.

„Die Rebellin von Shanghai“, „Die Sprengmeister und der unheilige Gral“ und „Wilhelmstadt“ darf ich zusammen mit anderen Bücherwürmern in einigen Leserunden lesen. „Wilhelmstadt“ habe ich auch schon zur Hälfte gelesen: ein tolles Buch!

„Arztroman“, „Deutscher Meister“ und „Frankreich wie wir es sehen“ sind Rezensionsexemplare, auf die ich schon sehr gespannt bin.

Und dann hab ich mir gleich noch „Todeswächter“ dazugelegt, denn das will ich auch bald lesen – so wie noch viele, viele andere Bücher, die jetzt leider noch ein bisschen warten müssen. 😉

Totenleuchten von Klara Nordin – Meine Rezension…

Taschenbuch: 336 Seiten
Verlag: KiWi-Taschenbuch (14. August 2014)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3462046934
ISBN-13: 978-3462046939

Über die Autorin:
Klara Nordin ist ein Pseudonym. Die Autorin wurde 1960 in Heilbronn geboren. Nach ihrer Buchhändlerlehre studierte sie Germanistik und Pädagogik in Tübingen und arbeitete viele Jahre in verschiedenen Verlagen. 2001 wanderte sie nach Schweden aus und lebt seit einigen Jahren im schwedischen Lappland, genauer: in Jokkmokk, dem Schauplatz ihres Romans. Von dort aus ist sie als Studienleiterin für die »Schule des Schreibens« in Hamburg tätig und leitet in Deutschland regelmäßig Schreibkurse.

Der Klappentext:
Jokkmokk am Polarkreis. Auf dem zugefrorenen See finden Husky-Rennen statt, und die Einheimischen bereiten den alljährlichen samischen Wintermarkt vor, als ein junger Mann ermordet wird. Geschlachtet wie ein Rentier.
Linda Lundin hat gerade ihren neuen Job als Hauptkommissarin in Nordschweden angetreten, einen solch schrecklichen Mord hat auch sie selten gesehen. Wer tötet einen Jungen, der in der Provinzstadt rundum beliebt war? Und warum?
Gemeinsam mit ihren Kollegen Bengt und Margareta nimmt sie die Ermittlungen auf und stößt im kleinen Jokkmokk auf kuriose Bewohner, samische Geschichten und alte Geheimnisse.
Atmosphärisch so bestechend, dass man sofort in den hohen Norden reisen möchte, und ein hochspannender, brisanter Fall, der alle Gewissheiten in Frage stellt.

Die Geschichte:
Diese Story in wenigen Sätzen grob zu umreißen, ist eine echte Herausforderung. Die Autorin hat nämlich hier eine so klug durchdachte, dicht gewebte Geschichte zu Papier gebracht, in die so viele Personen verstrickt sind, dass man dies kaum in Kurzform verpacken kann.
Die Unglücksfälle scheinen sich in Jokkmokk zu häufen: ein schwerer Autounfall, bei dem eine Frau stirbt und ein Junge so sehr verletzt wird, dass er hinterher im Rollstuhl sitzen muss. Später kommt dieser junge Mann bei einem weiteren Unfall ums Leben – und kurz darauf wird dessen Freund brutal ermordet. Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Todesfällen?
Die Ermittlungen fördern schnell gleich mehrere verdächtige Personen zutage: oft ist das mögliche Motiv Eifersucht, aber es könnte auch um Geld und Macht gehen?
Linda und ihre Kollegen Bengt und Margareta arbeiten mit Hochdruck und etliche Überstunden sind nötig, um schließlich den Fall zu lösen. Erschwerend kommt hinzu, dass Linda ein persönliches Problem hat, um das sie sich kümmern muss. Und auch Bengt und Margareta können sich nicht ohne Ablenkung auf ihre Arbeit konzentrieren: sie werden selbst in die Mordfälle verwickelt…

Meine Meinung:
Eigentlich bin ich kein Fan von Kälte, aber wenn das Thermometer bei uns über dreißig Grad anzeigt, dann kann man sich mit diesem kleinen Ausflug nach Lappland durchaus etwas Abkühlung verschaffen.

Die Autorin beschreibt alles so lebendig, dass man die Polarlichter fast vor sich sehen kann. Man spürt den schneidenden Wind im Gesicht, die Last an den Füßen, wenn man durch Tiefschnee stapft, man kann die Pizza „Lappland“ riechen, wenn sie frisch aus dem Ofen kommt.

Genauso realistisch wirken ihre feingezeichneten Charaktere: allen voran Linda und ihre beiden Kollegen Bengt und Margareta. Aber auch die Nebendarsteller in dieser Geschichte sind echte Persönlichkeiten, die alle ihre Licht- und Schattenseiten haben.

Klara Nordin schafft eine wundervolle, dichte Atmosphäre, in die man als Leser ganz und gar eintauchen kann. Sie zeichnet das glaubwürdige Bild einer Kleinstadt mit ihren vielfältigen, teils etwas verschrobenen Bewohnern – und mit vielen geheimnisvollen Verstrickungen.

Beim Lesen ist oft etwas Konzentration nötig, denn es scheint wirklich die halbe Stadt in diesen Mordfall verwickelt zu sein: sehr viele Namen, Verwandtschaftsverhältnisse und Orte, die es zu merken gilt. Als Hörbuch stelle ich mir die Lektüre fast etwas kompliziert vor.

Auch über die Kultur der Samen und die örtlichen Begebenheiten erfährt man sehr viel. Und das einfach so nebenbei, ohne dass es vom eigentlichen Geschehen zu sehr ablenken würde. Einfach stimmig und wundervoll erzählt.

Wenn ich einen Krimi lese, dann möchte ich natürlich am liebsten miträtseln, wer denn wohl hinter dem Verbrechen steckt. In diesem Buch hat die Autorin vortrefflich so viele falsche Spuren gelegt und Sackgassen errichtet, dass man eigentlich erst wenige Seiten vor dem Ende weiß, wer hinter dem Ganzen steckt. Und trotzdem konnte sie mich im Epilog nochmals überraschen und legte mit einer Prise schwarzen Humors noch eine Schippe drauf.

Dieses Buch kann ich einfach nur empfehlen, ich habe es in einem Rutsch durchgelesen und es hat mich perfekt unterhalten!
Jetzt bin ich schon sehr gespannt auf weitere Fälle, in denen Linda und ihre Truppe ermitteln dürfen, denn die Autorin hat bereits anklingen lassen, dass es wohl eine Fortsetzung geben wird!

Fazit:
Perfekt durchdachter, bis zum Ende spannender Krimi, der mit glaubhaften Protagonisten und einer sehr lebendigen Atmosphäre zu überzeugen weiß. Man fühlt sich beim Lesen fast so, als wäre man selbst ein Einwohner von Jokkmokk. Bitte unbedingt mehr davon!

Bewertung:
5pfoten