Gebundene Ausgabe: 255 Seiten
Verlag: C.H.Beck; Auflage: 1 (14. Juli 2015)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3406681883
ISBN-13: 978-3406681882
Autorin: Karin Kalisa
LESEPROBE
„Sungs Laden“ ist für mich ein modernes Märchen, das dringend wahr werden sollte! Eine wundervolle Geschichte über die geglückte Integration vieler bunter Nationalitäten in das kleine Berliner Stadtviertel Prenzlauer Berg.
Seinen Anfang nahm alles bereits zu Zeiten der DDR, als noch zahlreiche vietnamesische Vertragsarbeiter als billige Arbeitskräfte einreisen durften, viele von ihnen mit furchtbaren Kriegserlebnissen und -erinnerungen im Gepäck.
Dann fiel die Mauer und eine neue Zeitrechnung brach an: viele Ostdeutsche verließen alles, um im Westen ihr Glück zu suchen. Die Beschäftigten in den großen Betrieben verloren reihenweise ihre Arbeitsplätze und standen plötzlich auf der Straße. Vor allem die Vietnamesen traf dies hart, denn die meisten von ihnen hatten noch nicht einmal die deutsche Sprache erlernt. So kam es, dass viele der ehemaligen Vertragsarbeiter in die Kriminalität abrutschten, andere dagegen bauten sich zaghaft neue Existenzen auf.
So auch die Eltern von Sung, die die Chance ergriffen, einen kleinen leerstehenden Gemischtwarenladen zu übernehmen.
Sung wuchs zwischen Obstkisten und vielen ehemaligen DDR-Waren auf, denn sein Vater warf grundsätzlich keine Ladenhüter weg. Nicht nur das machte ihn bald zu einer beliebten Anlaufstelle für alle möglichen Bewohner des Viertels.
Die eigentliche Geschichte nimmt ihren Lauf durch ein Schulprojekt, an dem Sungs Sohn Minh mit seiner Großmutter teilnimmt. Diese nimmt eine alte Holzpuppe mit auf die Bühne und erzählt ein ergreifendes Märchen, das alle Zuhörer zutiefst berührt.
Das war quasi der erste Dominostein, der alles ins Rollen brachte, was danach geschehen sollte. Eine Lehrerin organisiert daraufhin eine Protestveranstaltung gegen die Raumnot und die Etatkürzungen in der Schule, bei der sie zahlreiche dieser vietnamesischen Holzpuppen einsetzt. Das Spektakel wird ein voller Erfolg und erfährt viel Aufmerksamkeit.
Und so setzen sich die Aktionen immer weiter fort, verzweigen sich, vereinen Menschen, spinnen feine Fäden zwischen den Nationen – und am Ende spannen sich sogar echte Brücken zwischen den Häusern. Das Viertel wächst zusammen, es wird bunt, lebendig und zu einem unheimlich schönen Ort, an dem sogar der Amtsschimmel bei so mach gewagter, nicht ganz gesetzeskonformer Aktion im Stall bleiben darf.
Sung ist – wie seine ganze Familie und viele der anderen zahlreichen Protagonisten in diesem Buch – ein absolut liebenswürdiger Charakter, dem man einfach nur das Beste im Leben wünscht. Und dafür kämpft er in dieser Geschichte, genau wie seine Eltern um ihren Platz in dieser fremden Welt kämpfen mussten.
Absolut eindrucksvoll schildert die Autorin die Gefühlswelt von Sungs Eltern, die einerseits froh waren, der kriegsgebeutelten Heimat zu entkommen, andererseits aber auch in Deutschland nur geduldet waren. Sie drückt dies teilweise mit sehr einfachen Worten aus, die trotzdem eine enorme Wirkung entfalten. Das Buch liest sich einfach toll und es ist an keiner Stelle zu gefühlsbetont oder gar kitschig.
Man merkt an vielen Stellen, dass sich Karin Kalisa mit den fremden Kulturen sehr genau beschäftigt hat: unglaublich viel Wissen steckt in diesen Seiten. So bietet das Buch nicht nur allerbeste Leseunterhaltung, sondern es ist auch noch lehrreich.
Angesichts der aktuellen Flüchtlingsdiskussion möchte man das Buch so manchem Zeitgenossen in die Hand drücken, um ihm ein bisschen die Augen zu öffnen für das, was sein könnte, wenn man nur wollte. Wenn man bereit ist, über seinen Schatten zu springen, den Blick über den eigenen Tellerrand zu erheben und den Mut hat, Grenzen zu überschreiten, dann könnte man viel bewegen in dieser Welt! Sung und seine Familie sind ein sehr schönes, wenn auch fiktives Beispiel dafür.
Fazit:
Ein modernes Märchen, das unbedingt wahr werden sollte. Mit unheimlich liebenswürdigen Charakteren und einer wundervoll erdachten Story, die auch noch gespickt ist mit viel Wissenswertem!