Taschenbuch: 220 Seiten
Verlag: Books on Demand; Auflage: 1 (8. Juni 2015)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3734799554
ISBN-13: 978-3734799556
Autorin: Margarete Bertschik
Die Geschichte:
Quasi im Zeitraffer dürfen wir Marie Hoffstede auf ihrem langen Lebensweg begleiten. Geboren wurde sie im Jahr 1915 in den Wirren des Ersten Weltkriegs, als Tochter einfacher Bauern mit neun Geschwistern war ihr Lebensweg praktisch vorbestimmt.
Doch Marie hat eine heimliche Leidenschaft: sie schreibt Gedichte, füllt im Lauf der Jahre viele kleine Heftchen mit ihren Zeilen. Im harten Alltag haben solche „Spinnereien“ natürlich keinen Platz, erst recht nicht, als Marie selbst Mutter wird und einen kleinen Bauernhof zu versorgen hat.
Erst im Alter von fast sechzig Jahren wird Marie bewusst, dass sie etwas ändern muss in ihrem Leben. Sie wagt einen kühnen Schritt, der nicht nur in der kleinen Dorfgemeinschaft, sondern auch bei einigen ihrer Kinder auf Missfallen stößt …
Meine Meinung:
Marie ist eine starke Frau, die sich den Zwängen des Lebens jahrzehntelang unterordnet. Ihre große Leidenschaft ist die Philosophie, sie hat ein feines Gespür für die richtigen Worte und fasst ihre alltäglichen Gedanken und Überlegungen in Gedichtform. Marie betrachtet die zahlreichen Heftchen, die sie im Laufe ihres Lebens füllt, als ihre persönlichen Tagebücher. Niemals könnte sie sich vorstellen, dass ihre Zeilen die Öffentlichkeit berühren und interessieren könnten … Marie ist eine sehr sympathische Protagonistin, in deren Gefühlswelt man sich bestens hineinversetzen kann. Ich habe richtig mitgelitten, wenn sie Verluste verkraften musste und habe mich mit ihr gefreut, als sie schöne Momente erleben durfte.
Am Anfang des Buches lernen wir Marie als bereits 92-jährige alte Dame kennen. In Rückblicken dürfen wir sie dann in verschiedenen Abschnitten ihres langen Lebens begleiten. Die Reisen in die Vergangenheit erfolgen nicht chronologisch, sondern eher ungeordnet, was für eine gewisse Neugier beim Lesen sorgt.
Das karge und arbeitsreiche Landleben wird dabei sehr ausführlich und eindrücklich geschildert, auch die Zeiten des Krieges spielen natürlich eine große Rolle. Ältere Leser werden vieles wiedererkennen, jüngere Leser werden sich wahrscheinlich an so manche Erzählung der Großeltern erinnern. Alles wirkt absolut authentisch und glaubwürdig, als wäre es eine echte Biografie.
Die Autorin schildert nicht nur den Alltag sehr anschaulich, sondern sie verdeutlicht auch die Zwänge der jeweiligen Zeit, die Einstellung der Menschen und die Einschränkungen, die damit für jeden Einzelnen möglicherweise verbunden waren, vor allem für die Frauen.
Umso schöner ist es zu lesen, dass Marie einen anderen Weg geht, wenn auch eher spät im Leben. Sie beobachtet schon immer sehr genau, was in den Menschen vorgeht und später in den Medien auch das Weltgeschehen. Sie sorgt sich um die Umwelt und ist in vielen Dingen eine sehr moderne Frau, die für ihre Überzeugungen einsteht. Ihre Verwandlung von der angepassten „Mutter“ zu dieser selbstbewussten Frau, die ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche endlich auslebt, ist sehr gut nachvollziehbar und wunderbar zu lesen.
Es gibt in diesem Buch sehr viele emotionale Momente, die meinen Taschentuchverbrauch gesteigert haben, aber es gibt auch schöne, heitere Szenen. Das Ganze liest sich wirklich sehr lebensnah und es weckt bei älteren Lesern sicher viele Erinnerungen.
Außerdem regt die Geschichte zum Nachdenken an über den Sinn des Seins und wie viel wir uns selbst wert sind. Leben wir das Leben, das wir uns wünschen – oder leben wir nur nach den Vorstellungen anderer?
Eine kluge Lektüre, die je nach Leser sicher sehr verschiedenste Gefühle und Gedanken auslösen wird, aber bestimmt nicht ohne Nachhall verklingt.
Fazit:
Ein sehr eindrückliches, emotionales Buch über das bewegte Leben einer starken Frau … ich empfehle es gerne weiter!
Bei Daggis Buch-Challenge hake ich hiermit Punkt 45 ab.