Die Straße der Geschichtenerzähler von Kamila Shamsie – Meine Rezension …

Gebundene Ausgabe: 384 Seiten
Verlag: Berlin Verlag (30. März 2015)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3827012287
ISBN-13: 978-3827012289
Originaltitel: A God in Every Stone

Der Buchrückentext:
Eine junge Engländerin reist 1914 zu Ausgrabungen nach Labraunda und begegnet dort dem Archäologen Tahsin Bey. Vor dem Hintergrund antiker Ausgrabungen und den Wirren des Ersten Weltkriegs entfaltet sich eine vergangene Zeit, eine exotische Welt und vor allem die Geschichte einer großen Liebe.

Die Geschichte:
Wir schreiben das Jahr 1914. Während fast die ganze Welt durch einen furchtbaren Krieg erschüttert wird, genießt die junge Engländerin Vivian Spencer eine unbeschwerte Zeit in der Türkei: sie darf bei archäologischen Ausgrabungen helfen, die ein Freund ihres Vaters organisiert. Leider wird auch Viv bald von der traurigen Realität in ihrer Heimat eingeholt und sie verpflichtet sich als Hilfskrankenschwester in einem Kriegslazarett. Sie wird dort Zeugin schrecklicher Szenen, die sie nie mehr vergessen wird.
Mit Hilfe ihrer Mutter kann sie schließlich im Jahr 1915 nach Indien reisen. Dort trifft sie im Zug auf den indischen Soldaten Qayyum, der verwundet aus dem Krieg heimkehren kann.
Sie richtet sich ein neues Leben ein, fern der heimatlichen Kriegsschicksale. Doch auch in Indien brodelt es: einige Einheimische wollen sich nicht länger mit der englischen Herrschaft abfinden. Es kommt zu einem folgenschweren Aufstand – und Vivian und Qayyum geraten zwischen die Fronten …

Meine Meinung:
Kleinere Schwierigkeiten, die ich manchmal mit dem Schreibstil hatte, konnten mir trotzdem die Lesefreude nicht trüben. Die wörtliche Rede wird beispielsweise etwas gewöhnungsbedürftig nicht durch Anführungszeichen gekennzeichnet.
Was allerdings dagegen grandios gelungen ist: die eindrücklichen Beschreibungen der fremden Landschaften … man kann förmlich die Hitze der Sonne auf der Haut spüren, die reifen Feigen schmecken, den Duft der exotischen Blumen riechen. Natürlich lässt die Autorin mit der gleichen Intensität auch die erschreckenden Bilder lebendig werden: die Gräuel des Krieges auf dem Schlachtfeld und die Leiden der Verwundeten in den Lazaretten.

Hauptsächlich dreht sich das Buch um drei Personen: die Engländerin Vivian, die sehr modern und fast etwas aufsässig ihr Leben lebt, den indischen Jungen Najeeb, den sie unter ihre Fittiche nimmt und gegen alle Konventionen unterrichtet und den indischen Soldaten Qayyum, der fern seiner Heimat schwer verwundet wird und als vom Krieg gezeichneter Mann wieder nach Indien zurückkehrt.
Die Wege dieser drei Protagonisten kreuzen sich immer wieder, bleiben aber lange Zeit scheinbar getrennt. Bis dann alles auf den entscheidenden Showdown zusteuert: das grausame Massaker an Hunderten von friedlichen Demonstranten am 23.04.1930 in Peshawar.
Ein (englisches) Video, das die Hintergründe kurz und eindrucksvoll erläutert, ist bei YouTube unter „Qissa Khwani bazaar massacre – The Forgotten sacrifice of Indian Freedom Fighters“ abrufbar.
Die Autorin hat umfassend recherchiert und viele historische Fakten in dieses Buch einfließen lassen. Doch nicht nur die Geschichte des 20. Jahrhunderts bringt sie uns näher, sondern große Teile der Story befassen sich mit der Antike und den Spuren, die sie bis in die Gegenwart hinterlassen hat.

Während ich die erste Hälfte des Buches noch als eher gemächlich empfunden habe, steigert sich das Erzähltempo zum Ende hin enorm. Die entscheidenden Szenen dürfen wir außerdem aus verschiedenen Perspektiven betrachten, wodurch wir immer mehr Details erfahren und die Puzzleteilchen so nach und nach an ihren Platz rücken.

Der Schluss hat mir gut gefallen. Nachdem ich so lange mit Vivian, Najeeb und Qayyum mitgefiebert habe, freute ich mich noch über einen kurzen Blick in das Jahr 1947.

Dieses Buch hat mich bestens unterhalten, es hat mich berührt und es hat mir ganz nebenbei noch ein Stückchen Geschichte vermittelt. Wenn der Schreibstil noch etwas allgemeinverträglicher gewesen wäre, hätte es absolute Höchstwertung verdient, aber auch so empfehle ich es gern weiter!

Fazit:
Ein sehr bildreiches, eindrückliches Buch, das vor allem gegen Ende enorm fesselt und die Gedanken auch nach dem Zuklappen noch lange beschäftigt. Empfehlenswert!

Bewertung:
4,5pfoten