Taschenbuch: 448 Seiten
Verlag: Goldmann Verlag (15. Februar 2016)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3442482496
ISBN-13: 978-3442482498
Autorin: Elisabeth Herrmann
Die gesamte bisherige „Joachim Vernau“-Reihe:
Die Geschichte:
Der Berliner Anwalt Joachim Vernau kommt nach einer Schlägerei im Krankenhaus zu sich und leidet unter einer vorübergehenden Amnesie. Nur bruchstückhaft kommen die Erinnerungen an die Ereignisse wieder zurück, doch diese sorgen eher noch für mehr Verwirrung.
Eine junge Frau hat ihn aufgesucht, die ihm nur allzu vertraut vorkam. Doch nicht deshalb, weil er sie wirklich kannte, sondern weil er mit deren Mutter Rebecca zusammen im Jahr 1987 für wenige Monate in einem Kibbuz in Israel gelebt und gearbeitet hat. Sie stellte sich als Rachel vor und erzählte ihm vom tragischen Tod ihrer Mutter, den sie nun aufzuklären gedachte.
Doch was hat Rachel mit der Schlägerei zu tun, bei der Vernau angeblich seinen jüdischen Bekannten Rudolph Scholl angegriffen haben soll? Und warum ist die junge Frau plötzlich spurlos verschwunden?
Kurz darauf kommt es noch schlimmer: Scholl stürzt von seinem eigenen Balkon in den Tod und Vernau war dessen letzter Besucher. Marie-Luise übernimmt seine anwaltliche Vertretung, doch ausgerechnet Joachim hat wenig Vertrauen in die Justiz und beschließt, der Sache selbst auf den Grund zu gehen. Er reist nach Tel Aviv und begibt sich auf Spurensuche in seiner eigenen Vergangenheit – und vor allem muss er Rachel finden.
Dabei öffnet er alte Wunden bei einigen Menschen, die diese Einmischung nicht so einfach hinnehmen wollen. Joachim stolpert von einer gefährlichen Situation in die nächste – und Rachels Rolle in der Geschichte ist auch alles andere als klar.
Meine Meinung:
Zunächst möchte ich mich gleich einmal in aller Form bei Elisabeth Herrmann entschuldigen. Bestimmt nicht, weil ich das Buch gleich schlecht bewerten werte, sondern eher im Gegenteil. Sie hat viel Herzblut in diese Geschichte gesteckt, ausgiebig recherchiert und bestimmt viele Monate daran geschrieben – … und ich? Lese dieses wundervolle Buch einfach mal so an einem Tag und warte jetzt schon wieder sehnsüchtig auf Nachschub. Aber ein bisschen hat sie natürlich auch selbst Schuld: wäre es nicht so fesselnd gewesen, müsste ich jetzt sicher nicht die ganze Hausarbeit morgen machen! 🙂
Im inzwischen fünften Teil der Reihe muss Joachim wirklich kräftig einstecken. Das tat mir wirklich leid, denn er ist doch so ein sympathischer, liebenswürdiger Charakter. Durch seine Hilfsbereitschaft manövriert er sich aber immer wieder in Situationen, die alles andere als gut für ihn sind.
Glücklicherweise ist er nicht alleine: seine Ex-Kanzleipartnerin Marie-Luise steht ihm mit Rat und Tat zur Seite, wenn auch dieses Mal meistens räumlich sehr weit voneinander getrennt.
Und natürlich dürfen sich die Stammleser auch über ein Wiedersehen mit Vernaus Mutter Ingeborg und ihrer Freundin Hüthchen freuen, die zwischendurch wieder für einige Schmunzelszenen sorgen.
Einige aufmunternde Momente sind auch nötig in der atemlosen, spannenden Story, in der Joachim oft nicht mehr weiß, wer Freund oder Feind ist. Je mehr er in der Vergangenheit stochert, desto undurchsichtiger wird die Sache. Und es veranlasst den immer noch ledigen Anwalt auch dazu, sich Gedanken über sein Leben zu machen. Wie würde seine Gegenwart aussehen, wenn damals in Israel einiges anders gelaufen wäre?
Wer die Bücher von Elisabeth Herrmann bereits kennt, der weiß, dass sie immer gerne Themen aufgreift, die ihr persönlich am Herzen liegen. Sie verbindet beispielsweise Geschichtliches aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges mit ihren fiktiven Stories. So auch hier in Totengebet und das fand ich wieder ungemein interessant.
Joachim Vernau besucht eine Seniorin im Altenheim und bei dieser Gelegenheit wird etwas angesprochen, was bei genauerem Überlegen nur allzu logisch ist. Viele Holocaust-Überlebende, die damals aus Deutschland flüchten konnten und ihr weiteres Leben im Ausland verbrachten, werden im Alter wieder von den Schrecken ihrer Vergangenheit heimgesucht und verfallen sogar wieder zurück in ihre alte Muttersprache. Man kann das ja oft bei sehr alten Menschen beobachten: das Kurzzeitgedächtnis wird unzuverlässig, aber an lange zurückliegende Ereignisse können sie sich plötzlich wieder lebhaft erinnern. Eine grausame Vorstellung …
Über fehlende Action in dieser Geschichte kann man sich ebenso wenig beklagen wie über einen Mangel an Verdächtigen, die kräftig für Verwirrung, falsche Spuren und einige Überraschungen sorgen. Fast möchte ich diesen „Kriminalroman“ eher als handfesten „Thriller“ bezeichnen, denn er hat alles, was man sich davon erwarten würde: Hochspannung von Anfang bis zum Ende und einen Protagonisten, der mehr als einmal in Todesgefahr gerät. Für Joachim wünsche ich mir, dass er im nächsten Teil wieder etwas schonender behandelt wird. 🙂
Durch Vernaus Reise nach Israel lernen wir auch noch einiges über dieses interessante Land und dürfen mit ihm am Strand spazieren gehen, aufregende Städte erkunden und im Kibbuz nach den Spuren der Vergangenheit suchen. Ständig hatte ich eine lebendige Vorstellung der Schauplätze im Kopf und konnte die heiße Sonne beinahe auf der Haut spüren. Elisabeth Herrmanns wundervoller, atmosphärischer Schreibstil macht es leicht, mit Haut und Haar in die Geschichte einzutauchen und alles andere vorübergehend auszublenden.
Fazit:
Eine spannende Geschichte mit vielen Irrwegen und Verstrickungen, die so zu fesseln vermag, dass ich sie in einem Rutsch lesen musste. Jetzt bleibt mir nur das Warten auf das nächste Buch mit Joachim Vernau, auf das ich mich schon sehr freue!
Bei Daggis Buch-Challenge hake ich hiermit Punkt 7 ab.